Strasser und die Agenten – Die Grenzen der Kommunikation

18.1.2013, Gastkommentar in „Die Presse“ – Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit großer Öffentlichkeit, wie zuletzt beim Prozess gegen den früheren ÖVP-Innenminister und Europa-Abgeordneten Ernst Strasser, empfiehlt sich ein Blick auf die Medienarbeit der Beteiligten beziehungsweise auf die mediale, öffentliche Wirkung der eingeschlagenen juristischen Strategie.

Im Prozess ging es um zwei Aspekte: Zum einen um Strassers Darstellung, wonach er den vermeintlichen Journalisten nie über den Weg getraut habe und sie als Geheimdienst-Mitarbeiter enttarnen wollte. Dahinter stand jedoch die juristisch viel relevantere Frage, ob seine Interventionen im europäischen Parlament für die Anliegen der falschen Lobbyisten als Amtsgeschäft zu qualifizieren sind und Strasser sich damit des Verbrechens der Bestechlichkeit nach §304 StGB schuldig gemacht hat.

Kommunikativ hatten Strasser und sein Anwalt ebenfalls an diesen beiden Fronten zu kämpfen. Eine nüchterne Beurteilung, worum es in diesem Verfahren im Kern ging – nämlich die Klärung der oben genannten Rechtsfrage – war de facto unmöglich, da sich die gesamte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die präsentierte und bis zum Schluss durchgezogene „Agenten-Story“ fokussierte.

Üblicherweise ist es die Hauptaufgabe von Litigation PR – also der Medienarbeit bei juristischen Kontroversen –, die Nebelschwaden zu vertreiben und den Blick auf das Wesentliche zu ermöglichen. In der Regel hat man hier mit Vorurteilen, Falschinformationen oder emotionalen Aspekten zu kämpfen, die von außen in den Verhandlungssaal getragen werden.

Beim Fall Strasser lag der Fall anders. Hier stand einer klaren Sicht auf den Sachverhalt die eigene Verteidigungsstrategie – die „Agenten-Story“ – im Weg. Denn es war, ohne den Wahrheitsgehalt überprüfen zu können, bald klar, dass diese für die Öffentlichkeit nicht glaubwürdig war.

Die Einschätzung des Richters, wonach Strassers Version zum Abenteuerlichsten gehöre, was ihm in 20 Berufsjahren untergekommen ist, teilte wohl der Großteil der Prozessbeobachter. Damit ist man aus kommunikativer Sicht an die Grenze des Machbaren gelangt. Fehlen der vorgebrachten juristischen Stoßrichtung jegliche Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit, ist man auf dem Feld der Kommunikation in der Öffentlichkeit chancenlos. Man hat in so einem Fall nicht nur mit einer vielfach verstärkten ablehnenden Haltung der Medien zu tun, sondern muss damit auch an der Darstellung des eigentlichen Sachverhalts – in diesem Fall der Klärung, ob ein Amtsgeschäft vorgelegen ist – scheitern.

Es mag aufgrund der Aktenlage gute juristische Gründe gegeben haben, eine solche Vorgehensweise zu wählen. In Bezug auf die Verarbeitung der Causa im „Gerichtshof der Öffentlichkeit“ jedoch war diese sicher schädlich. Dieser Befund würde auch gelten, hätte das Gericht zugunsten Strassers entschieden oder sollte das Urteil in der Instanz abgeschwächt oder sogar aufgehoben werden: Die Öffentlichkeit wird Strasser wegen der fehlenden Glaubwürdigkeit seiner Story immer schuldig sprechen.

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