Buchtipp: „Seduced by Story: The Use and Abuse of Narrative“ von Peter Brooks

„Es gibt nichts Mächtigeres auf der Welt als eine gute Geschichte. Nichts kann sie aufhalten. No enemy can defeat it.“

In „Seduced by Story“ nimmt uns der renommierte Literaturtheoretiker Peter Brooks – nicht zu verwechseln mit dem bekannten britischen Regisseur Peter Brook – mit auf eine fesselnde Reise durch die Welt der Geschichten und deren zunehmende Vereinnahmung in der öffentlichen Diskussion. Brooks ist bekannt für seine tiefgründigen Analysen von Erzählungen, in denen er die weitreichenden Auswirkungen der „Storytelling of Reality“ auf alle Lebensbereiche von der Politik bis zum Produktdesign aufdeckt.

Sein früheres Werk „Reading for the Plot“ gilt bereits als Klassiker der Literaturkritik. Doch wie weit die „Storifizierung der Wirklichkeit“ in die öffentliche Diskussion vorgedrungen ist, hat selbst ihn überrascht. Als George W. Bush im Jahr 2000 seine Kabinettsmitglieder der Öffentlichkeit vorstellte und dabei von den einzigartigen Geschichten jedes Einzelnen sprach, fühlte sich Brooks, als hätte er einst einen Vogel aufgezogen, der sich plötzlich gegen ihn wandte.

Mit dem Zitat aus Game of Thrones stellt Brooks gleich zu Beginn die zentrale Frage: Was macht eine gute Geschichte so gefährlich? Brooks warnt davor, dass unsere blinde Verehrung von Geschichten uns anfälliger für diejenigen macht, die sie für ihre eigenen Zwecke missbrauchen wollen. Wenn wir anfangen, alles als Geschichte zu betrachten und zu akzeptieren, können wir leichter von denen manipuliert werden, die die überzeugendsten Geschichten erzählen.

Er betont, dass nicht alle Geschichten gleich sind und dass wir unsere Fähigkeit schärfen müssen, zwischen wahren und manipulativen Geschichten oder Narrativen zu unterscheiden. Anhand einer Reihe von Beispielen, darunter die erschreckende Popularität von Verschwörungstheorien wie QAnon, zeigt Brooks, wie überzeugende Geschichten unsere Wahrnehmung der Realität beeinflussen können.

Das Buch bietet aber nicht nur eine düstere Analyse der aktuellen Situation. Brooks zeigt auch Wege auf, wie wir uns gegen die Macht der Geschichten wehren können. Er argumentiert, dass Literatur und Kunst uns helfen können, unsere kritische Intelligenz zu schärfen und unsere Fähigkeit zur Reflexion zu stärken.

Als interdisziplinärer Wissenschaftler hat sich Brooks immer gerne mit den Schnittstellen zwischen Literatur, Recht und Psychoanalyse beschäftigt. Allen Juristen und juristisch Interessierten sei daher insbesondere das sechste Kapitel „Stories in and of the Law“ empfohlen.

„Seduced by Story“ ist ein Aufruf zu Wachsamkeit und kritischen Reflexion in einer Zeit, in der Geschichten zu einer dominierenden Kraft in der öffentlichen Debatte geworden sind. Brooks‘ elegante und nuancierte Analyse bietet nicht nur Einblicke in die Mechanismen des Erzählens, sondern ermutigt auch dazu, die Macht von Geschichten bewusst zu hinterfragen und zu nutzen.

Für eine ausführlichere Rezension empfehlen wir diesen Artikel aus der NY-Times: https://www.nytimes.com/2022/10/19/books/review/seduced-by-story-peter-brooks.html