“Es könnte für die Betroffenen Nachteile bringen”

20. Februar 2012 – Als Peter Hochegger am letzten Sitzungstag des Korruptions-U-Ausschusses als Auskunftsperson geladen war, erhofften sich die zahlreich anwesenden Journalisten viel. Und sie bekamen ihre Story. Hochegger blätterte sein unglaubliches Netzwerk aus, die auf seiner Payroll gestandenen Opinionleader wurden gnadenlos an die Öffentlichkeit gezerrt. Mit fast genüsslicher Genugtuung klopften die Medienvertreter noch vor Ort ihr Stories in ihre Notebooks und transportierten in Windeseile die brandheißen personellen Enthüllungen per twitter an die ausgesperrte breitere Öffentlichkeit. Zeitdruck und Geilheit auf eine gute Geschichte sind wohl schlechte Voraussetzungen, um ein wenig darüber zu reflektieren, in wessen Dienst man sich denn in Wirklichkeit gerade stellt.

Peter Hochegger gründete eine Kommunikationsagentur, die über viele Jahre sehr erfolgreich und professionell hervorragende PR-Dienstleistungen durchgeführt hatte. Dazu brauchte es auch einen Chef, der in diesen Fragen über entsprechende Kompetenz verfügt. Und wer Hocheggers Kommunikations-Performance beobachtet, kann erkennen, dass er diese Voraussetzungen zur Genüge mitbringt. Dass er im Lauf seiner Karriere offensichtlich zu oft und zu deutlich über seriöse PR- und Lobbying-Arbeit hinaus ging, steht nicht zur Debatte – das ist evident.

Zum wiederholten Mal begann Hochegger seine Öffentlichkeitsarbeit mit einem groß angelegten Wochenmagazin-Interview, das offensichtlich gut ausgedealt war. Wenig sehr unangenehme Fragen, viel unkritischen Raum für ihn, seine Messages los zu werden. Das zentrale Stöckchen, das er der wartenden Menge zuwarf, war die Äußerung, dass er „28 ehemalige Politiker, frühere Kabinetts- und Parteiarbeiter sowie ehemalige Funktionäre“ bei sich in der Agentur beschäftigt hatte. Keine Rede von aktiven Politikern. Diese Aussage war scheinbar für die Magazin-Titelgestaltung zu lange, sodass daraus „28 Politiker auf der Payroll“ wurde. Diese nicht unwesentliche Verkürzung wurde von den meisten Multiplikatoren übernommen, wodurch in allen Early-Adopter-Kreisen nur mehr darüber spekuliert wurde, welche aktiven Politiker sich denn wohl dem Agentur-Gottseibeiuns verschrieben hätten.

Diese Sichtweise war schließlich die Erwartungshaltung, mit der Journalisten die Worte Hocheggers am Tag darauf im Parlament aufsogen. Geschickt inszeniert, begann der Medienprofi seine Show in dem er gleich in seinem ersten Statement meinte, er wolle sein „Netzwerk“ nicht aufdecken, da dies für die Betroffenen Nachteile bringen könnte. Als geschäftsordnungsmäßig festgestellt wurde, dass er sich in dieser Frage nicht entschlagen dürfe, war seitens der fragenden Abgeordneten das Interesse natürlich grenzenlos – das der wartenden Journalisten sowieso. Nun breitete Hochegger die Namen aus. Tatsächlich befanden sich überaus interessante prominente (Ex-)Politiker in dieser Aufzählung, doch leider waren alle bereits bekannt. Neuigkeitswert boten jedoch die Vielzahl an ehemaligen Agenturmitarbeitern, die zwar allesamt in irgendeiner Form im politischen Umfeld tätig waren, aber nüchtern betrachtet, in keinerlei Weise irgendetwas Anrüchiges getan hatten. Im Gegenteil. Da wurden auf einmal ehemalige Sekretärinnen und einfache PR-Assistenten auf Augenhöhe mit Gorbach, Blecha oder Strasser gehoben und in Zusammenhang mit Mega-Korruptionsskandalen gesetzt. Differenzierung, nach- und hinterfragen des „cui bono“ der Aussagen eines Beschuldigten war weitgehend Fehlanzeige – sowohl bei den Abgeordneten im U-Ausschuss, als auch bei der schreibenden Zunft. Es war interessant zu beobachten, wie sich das Interesse von im Raum stehenden Millionen-Zahlungen von der Telekom ins politische System, hin zu Fragen verlagerte, ob es z.B. ein Skandal sei, wenn junge parlamentarische Mitarbeiter (so ziemlich das Ende der politischen Nahrungskette) nach dieser Tätigkeit bei einer Kommunikationsagentur zu arbeiten beginnen, oder ob eine Sekretärin einer Parteigeschäftsstelle maßgeblichen Einfluss auf die Politik ausüben kann. Absurd. Doch so lief es ab.

Nur wenige Journalisten durchschauten Hocheggers Strategie und die Unterstützung derselben durch die beginnende Berichterstattung. Das Ergebnis der Hochegger´schen Herangehensweise kann sich sehen lassen: Im U-Ausschuss konnte er in weiten Teilen von den richtig relevanten Aspekten ablenken und die Medienberichte am darauffolgenden Tag war in Anbetracht der Ausgangslage aus seiner Sicht ebenso positiv. Nicht er als Person stand im Mittelpunkt, sondern sein personelles Umfeld. Gemäß seiner Darstellung im Ausschuss, fanden sich fast durchgehend in allen Zeitungen Ex-Juniorberater der Agentur, neben politischen Schwergewichten wieder, die sich bei der Staatsanwaltschaft wegen massiven Korruptionsvorwürfen zu verantworten haben. Und damit man sich auskennt, sicherheitshalber auch gleich mit Portraitfotos illustriert. Journalistisch interessant ist auch, dass es seitens mancher Zeitungen nicht mal eine komplette Auflistung der genannten Personen gab, sondern eine eher willkürlich wirkende Auswahl. Wenn schon, denn schon, könnte man meinen, aber auch da Fehlanzeige. Dass in all diesen Punkten kein Unterschied zwischen sogenannten Qualitäts- und Boulevardzeitungen festzustellen war, ist ebenfalls eine relevante Beobachtung.

Der für Hochegger kommunikativ-medial sehr erfolgreiche Tag ging mit einem schönen Interview in der ZIB 2 vorüber, in dem er weitgehend seine Standpunkte darlegen konnte, ohne auf speziell unangenehme Fragen eingehen zu müssen. Auch in der ZIB 24 kamen zwei ehemalige Agentur-Angestellte noch in den Genuss einer namentlichen Nennung, Bildmaterial stand der ORF-Redaktion offenbar nicht zur Verfügung.

Die Performance des Kommunikationsprofis Peter Hocheggers und seine richtige Einschätzung, worauf Medien und Journalisten reagieren, ist ein Lehrbuchbeispiel für wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit rund um juristische Auseinandersetzungen, genannt Litigation PR. Gerade dieser Spezialdisziplin wird von Journalisten immer wieder die Bedeutung abgesprochen, da sie doch nicht so leicht beeinflussbar seien. Quod erat demonstrandum.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Februar 2012 auf meinem Blog erschienen.

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