Alltag im Gerichtssaal der Öffentlichkeit

Vergangene Woche war es wieder mal soweit: Eine Tageszeitung schreibt mehrfach groß über eine ihr exklusiv vorliegende Anklageschrift, noch bevor diese den Beschuldigten zugestellt wurde.

Woche für Woche gelangen Dokumente an die Medien, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Üblicherweise lautet dann die Erklärung der Justiz, dass dafür alle, nur sie nicht verantwortlich seien: Rechtsanwälte, Privatbeteiligte, die Polizei etc. In vielen Fällen wird diese Einschätzung sicher zutreffen. In diesem aktuellen Fall scheiden diese Optionen jedoch aus. In Frage kommen die Staatsanwaltschaft, die zuständige Richterin oder das Justizministerium.

Egal, wo das Leck tatsächlich zu finden ist, handelt es sich dabei um einen veritablen Missstand, da es einer medialen und damit öffentlichen Vorverurteilung und damit dem Bruch der mittlerweile so gut wie bedeutungslosen Unschuldsvermutung den Weg bereitet. Für den Betroffenen ist auch nebensächlich, woher die Information tatsächlich stammt – der Schaden tritt ein mit der Veröffentlichung. Ganz abgesehen davon, ist dieser auch kaum quantifizierbar, denn wie sollte ein Schaden an der Reputation in Zahlen festgemacht werden? Damit steht man auch vor einer beinahe unüberwindbaren Hürde was allfällige Regressforderungen betrifft. Auch die Erfolgschancen von Anzeigen auf Grund dieses Bruchs des Amtsgeheimnisses sind gering.

Äußerungen der Betroffenen sind in solchen Fällen zwingendermaßen unklar und zurückhaltend, denn wie soll man sich schon äußern, wenn man nicht mal den genauen Inhalt der Anklage kennt? In den meisten Medien wird diese Zurückhaltung postwendend als Schuldeingeständnis gedeutet und um süffisante Zeilen ergänzt, selbstverständlich unter schriftlicher Wahrung der Unschuldsvermutung.

Fälle wie dieser zeigen deutlich, dass es professionelle Medienarbeit rund um juristische Auseinandersetzungen braucht. Denn wenn Behörden Litigation PR betreiben, braucht es dafür einen Ausgleich, um auch gegenüber der Öffentlichkeit ein faires Verfahren zu gewährleisten.