Die „Wirtschaftslobby“ und der Untreueparagraf

Mit großem Erstaunen konnte man im Standard vom 22. April 2015 unter dem Titel „Strafreform: Zu spät für Libro, rechtzeitig für Meinl“ lesen, wie ein allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger davon spricht, dass sich bei dem vorliegenden Initiativantrag zur Änderung des Untreueparagrafen die „Wirtschaftslobby“ durchgesetzt hätte, da diese „viele Leichen im Keller“ hätte.

Laut eigenen Standesregeln ist ein Sachverständiger ein zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtetes Hilfsorgan des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft und als solches Teil der Rechtspflege. Ob dieser hohe Anspruch durch angriffige Pauschalverurteilungen wie diese erfüllt werden kann, ist wohl zu bezweifeln.

Insgesamt wurde und wird in dieser aktuellen Diskussion von Justizvertretern immer wieder darauf hingewiesen, dass hier gezielt Angst- und Stimmungsmache betrieben werde, die jeglicher Grundlage entbehre. Da handelt es sich jedoch um ein Missverständnis: Die Verunsicherung seitens vieler Unternehmen ist Realität und nicht zu leugnen. Es wurde einzig und allein dieser Verunsicherung eine Stimme gegeben, um in der Öffentlichkeit für die derzeit problematische Situation Aufmerksamkeit und Unterstützung zu schaffen. Es ist eine Tatsache, dass es zahlreiche Fälle strafrechtlicher Verfolgung gibt, die bei Unternehmern völlige Rat- und Fassungslosigkeit auslösen und enorme Rechtsunsicherheit entstehen lassen. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um die Angst, dass bewusste Rechtsbrüche aufgedeckt werden könnten, sondern um jene Fälle, wo korrektes unternehmerisches Agieren erschwert, ja teilweise sogar unmöglich gemacht und kriminalisiert wird.

Eben auf Grund der großen Relevanz des Themas haben sowohl prominente Unternehmerpersönlichkeiten, als auch führende Rechtswissenschaftler und Rechtsanwälte öffentlich das Wort ergriffen und diverse Vorschläge zur Reform des Untreueparagrafen unterbreitet. Diesen Persönlichkeiten unredliche Motive zu unterstellen ist höchst unangebracht und falsch. Vielmehr sollte sich die Justiz fragen, wie es unter den rechtsunterworfenen Unternehmern und Managern zu einer derartigen Verunsicherung kommen kann, anstatt jene zu kritisieren, die diesen Umstand kommunizieren.